Einige Bilder zur Ausstellung "Siedlung am Hagen - Der Bau".

Die Karten, Baupläne, Statistiken und Bilder stammen aus dem Zeitraum Aufbauphase der Siedlung bis kurz nach dem Ende des 2. Weltkriegs.

Index

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Der folgende Text war in der ursprünglichen Fassung der Ausstellung enthalten. Aus technischen Gründen (wegen der damals verwendeten Umlaute in den Filenamen) habe ich diesen Web-Teil neu erstellt.

Um den Bau der Siedlung ab dem Jahr 1933, die ehemalige Namensgebung usw. zu verstehen, muss man ein wenig von der damaligen Wirtschaftslage und den politischen und gesellschaftlichen Bedingungen wissen.

Staatliches Siedlungsprogramm

1928 begann von den USA ausgehend eine schwere Weltwirtschaftskrise, von der Deutschland besonders betroffen war. In der Folge stieg z.B. im Jahr 1932 die Zahl der Arbeitslosen auf über 6 Millionen. Im Vergleich dazu gab es nur rd. 12 Millionen Beschäftigte. Das Land war wegen zusammenbrechender Steuereinnahmen, fehlender Möglichkeiten, Kredite aufzunehmen usw. praktisch zahlungsunfähig, so dass nur wenig staatliche Hilfe geleistet werden konnte. Auch die Maßnahmen zur Behebung der Krise waren — jedenfalls aus heutiger Sicht — ungenügend oder bewirkten das Gegenteil.

Immerhin wurde in der Weimarer Republik versucht, durch wohnungspolitische Programme den Auswirkungen der Krise entgegenzutreten. Vom Reichsarbeitsministerium wurde ein Siedlungsprogramm im ländlichen Raum ausgearbeitet. In der Notverordnung vom 6.10.1931 legte man die

fest. Das Siedlungsprogramm sollte ‘aus Hauszinssteuermitteln‘ finanziert werden. Mit diesem Programm wurden im Reich eine Reihe von Vorhaben gefördert — vermutlich auch die Siedlung Am Hagen.

Das Parteiprogramm der NSDAP enthielt kein eigenes wohnungspolitisches Programm. Man übernahm die Wohnungspolitik der Weimarer Republik mit ähnlichen Zielsetzungen. Nämlich die

Die Gestaltung des Siedlungsprogramms wurde dann der NS-Ideologie angepasst.

Es gab auch Kritik an der vorstädtischen Kleinsiedlung. So z.B. an der

Beteiligte

Deutschland hatte den Ersten Weltkrieg verloren. Es wurde zwar das Kaiserreich beseitigt, aber mit der Weimarer Republik wurde keine stabile Demokratie etabliert. Die monarchistischen und extrem nationalistischen Kräfte blieben stark und standen in scharfem Gegensatz zu linken und neutraleren Parteien und Gruppen. Die zwischen den Parteien stattfindenden Auseinandersetzungen und die Wirtschaftskrise verschärften die Radikalisierung der Menschen. Wie bekannt, endete diese Phase mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933.

Eine der Gruppen, die sich stark an der Kaiserzeit orientierten, war der ‘Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten‘, der von dem Reserveoffizier Franz Seldte 1918 gegründet wurde. In der Organisation sollte zunächst das Wirken aller Kriegsteilnehmer Anerkennung finden. Ab 1924 war er eher als paramilitärischer Wehrverband anzusehen, in dem Interessierte eine militärische Ausbildung bekommen konnten. Dies unter Umgehung der Versailler Verträge, die der Reichswehr 100.000 Mann zustanden — der ‘Stahlhelm‘ hatte 1930 rd. 500.000 Mitglieder. So wie die SA als die Schutztruppe der NSDAP galt, wurde der ‘Stahlhelm‘ als bewaffneter Arm der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) angesehen. Der ‘Stahlhelm‘ stand insofern in Konkurrenz zu SA/NSDAP, vertrat aber — aus heutiger Sicht — ähnliches Gedankengut.

Der Gründer Franz Seldte trat 1933 der NSDAP bei, wurde SA-Obergruppenführer, Reichskommissar für den Freiwilligen Arbeitsdienst und Reichsarbeitsminister. Der ‘Stahlhelm‘ wurde von 1933 an der SA unterstellt und mit ihr ‘verschmolzen‘. Im Jahre 1935 wurde auch eine Nachfolgeorganisation aufgelöst. Mit dem Namen Franz Seldte sind damals in Deutschland eine Reihe von Straßen und Plätzen bedacht worden. Der ‘Stahlhelm-Verband’ hatte wohl eine kurze Zeit eine ‘ideelle Trägerschaft’ für die Siedlung Am Hagen, er wurde aber schon bald in die SA überführt.

Der ‘Deutsche Siedlerbund e.V.‘ ist in Zusammenhang mit dem Bau der Siedlung eine weitere zu beachtende Organisation. Vorläufer aus 1933 waren z.B. der ‘Reichsbund der Kleingärtner und Kleinsiedler Deutschlands‘. Dessen Ziel war ‘die Förderung der Siedlungsbestrebungen gemeinnütziger Art sowie der Zusammenschluss aller Kleinsiedler‘. Dieser Reichsbund wurde im Jahre 1934 vom Reichsheimstättenamt als Vertretung der Kleingärtner- und Kleinsiedlerbewegung anerkannt. 1935 wurde die Nachfolgeorganisation ‘Deutscher Siedlerbund‘ vom Reichs- und Preußischen Arbeitsministerium (Minister: Franz Seldte) als einzige Organisation der deutschen Kleinsiedler festgelegt und mit der Betreuung und Wirtschaftsberatung der Kleinsiedler beauftragt. Insofern hat der Siedlerbund eine (von den Siedlern zu bezahlende) Projektträgerschaft beim Bau der Siedlung Am Hagen ausgeübt.

Ehemalige Eigentümer des Geländes der Siedlung waren die Grafen Schimmelmann; ansässig in Ahrensburg seit 1759, als Heinrich Carl Schimmelmann das Gut Ahrensburg in Holstein erwarb. Dieses Gut hatte nach dem Ersten Weltkrieg eine Größe von 1.560 ha (720 ha Forst und 840 ha Landwirtschaft). Für einen profitablen landwirtschaftlichen Betrieb eigentlich günstig in der Nähe Hamburgs gelegen. Aber die Besteuerungsgrundlagen änderten sich und die Weltwirtschaftskrise brachte weitere finanzielle Probleme. Der Gutsherr, Graf Carl Otto Schimmelmann, verkaufte das Land z.B. an Ahrensburg und Privatleute; die Familie zog 1934 nach Plön. Ein Teil des verkauften Landes war das Gelände für die Siedlung: 50 ha als Siedlungsgelände und 4 ha für z.B. Straßen und Sportplatz (weitere 14 ha sind vermutlich der Siedlung ‘Waldgut Hagen’ zuzurechnen). Der Preis betrug insgesamt 224.000 RM. Das Gelände ist als ‘preisgünstig‘ beschrieben; das ist eine Umschreibung für Bruchwald und Moor. Wer der ‘Erwerber‘ war, ist nicht ganz klar, vermutlich Hamburg, wohl unter Vermittlung des oben genannten ‘Siedlerbundes‘. Problematisch mag dabei die Lage des Geländes im damaligen Preußen gewesen sein. Die Siedler bekamen aber, wie vorgesehen, eine Eintragung ins Grundbuch. Die Straßen usw. gingen ins Eigentum Ahrensburgs über.

Beteiligt war ganz wesentlich die Freie und Hansestadt Hamburg. Schließlich wurden arbeitslose Bürger Hamburgs für die Ansiedlung gewonnen. Grundrisse und Baukosten wurden im Rahmen von Angeboten 1934 in der damaligen hamburgischen Behörde für Technik und Arbeit genehmigt. Ein Ingenieurbüro am hamburgischen Jungfernstieg (eine erste Lage) lieferte die Bauzeichnungen.

Andere Aspekte des Baus

Die Voraussetzungen zum Siedlungsbauprogramm wurden in der Weimarer Republik von dem Ministerialbeamten Geheimrat Stephan Poerschke so formuliert:

Die Schwierigkeiten und Härten, die beim Bau und Bewohnen solcher Siedlungen auftraten, waren also gewollt oder wurden zumindest billigend in Kauf genommen. Eher positive Wirkungen, die indirekt auftraten, wie z.B. die Stärkung des Gemeinschaftsgefühls der Siedler oder Bindung an die ‘eigene Scholle‘ waren programmatisch z.B. in Parteiprogrammen aber auch vorgedacht.

Wieder zurück zur Siedlung Am Hagen:

Der Bau von 136 und weiteren 84 Häusern erfolgte ab 1933 in mehreren Bauabschnitten (s. Abb. ‘Luftaufnahme_während_des_Baus_4’, ‘Plan_1_Bauabschnitt_1’ und ‘Karte_1’). Die Haustypen waren vorgegeben (s. Abb. ‘Grundriss_Haus_1’ und ‘Doppelhaus_1’). Der Bau erfolgte gemeinschaftlich (mit einigen normal bezahlten Facharbeitern), die fertigen Häuser wurden unter den Siedlern verlost. 1936 war auch ein Schulgebäude fertiggestellt, das i.W. von Hamburg finanziert wurde.

Für die Arbeit während des Baus — sie hatten als Eigenleistung 350 Arbeitstage abzuleisten — erhielten die Siedler eine RM / Tag zu ihrer Erwerbslosenunterstützung (entsprechend dem soldatischen Wehrsold; dies war der Maßstab für eine Reihe der damaligen und im Kontext vergleichbaren Organisationen, wie z.B. dem Reichsarbeitsdienst).

Ein Teil der angehenden Siedler hielt die schwere und ungewohnte Arbeit (und den weiten und oft täglichen Weg aus Hamburg per Fahrrad) nicht durch und wurde ausgetauscht. Allerdings konnten (und mussten — sofern sie wieder entlohnte Arbeit hatten) für die Siedlungsarbeit Ersatzleute gestellt werden, und denen die eine RM gegeben werden. Auch später gab es eine Reihe von Änderungen, bis sich die Einwohnerschaft stabilisierte (s. Abb. ‘Erste_Siedler_1’).

Die administrativen Geschäfte in der Siedlung wurden von sog. Siedlungsführern wahrgenommen. Auch hier war ein steter Wechsel zu verzeichnen: Vermutlich waren über zehn Personen in dieser Funktion tätig. Mindestens zwei wurden wegen Unterschlagungen u.ä. verurteilt. Die Randbedingungen des Baus zogen halt nicht nur qualifiziertes Personal an.

Die Kosten für die Häuser und verschiedene Leistungen sind aus einer Liste (s. Abb. 'Kosten_je_Siedlerstelle_1') zu erkennen. Eine Siedlerstelle inkl. Haus kostete nach dieser Liste rd. 3.170 RM. Der Preis konnte je nach Ausbau (z.B. für kinderreiche Familien) bis auf rd. 5.200 RM steigen). Nach Fertigstellung war das Haus mit 20-25 RM / Monat zuzüglich weiterer Belastungen wie Versicherungen, Kaminkehrer usw. abzubezahlen. Das war für die meisten Siedlerfamilien ein großes Problem, das sich im Krieg durch Einberufung der Familienvorstände als Soldat noch verschärfte. Nach dem Krieg konnten vielerorts Siedlerdarlehen in RM zu einem günstigen Kurs mit DM abgegolten werden, ob es hier auch möglich war, ist nicht bekannt.

Aufgewendet wurden ganz überschlägig rd. 990.000 RM Baukosten (220 Gebäude x rd. 4.500 RM) + 224.000 RM Geländekaufpreis + 154.000 RM Tagespauschale (440 RM / Tag x 350 Tage) = 1.368.000 RM.

Vollständig ist die Kostenzusammenstellung nicht, z.B. fehlen die Darlehens- (vermutlich Reichsdarlehen) und Intendanzkosten in der hamburgischen Behörde. Aber ‘billig’ — wie oben gefordert — war der Neubau eines Stadtteils für vielleicht 1.500 Menschen mit Kosten in der Größenordnung von 1,5 Mio. RM schon.

Die angestrebte Selbstversorgung der Siedler auf den rd. 2.500 qm großen Grundstücken war zunächst nur in begrenztem Umfang möglich — der Boden war zu schlecht und die Siedler kannten sich noch nicht aus. Die vielerorts genannte ‘gestellte’ Ausstattung der Siedler mit Kleinvieh und Obstbäumen usw. musste von ihnen im Übrigen auch bezahlt werden.

Eine Kanalisation gab es nicht. Außerdem wurde zu Beginn der Erschließung des Geländes (also nach der Rodung und teilweisen Auffüllung des Geländes) versäumt, für einen ausreichenden Wasserabfluss vom Gelände zu sorgen. Als Folge liefen in 1935 — einem niederschlagsreichen Jahr — alle Keller voll. Der Reichsarbeitsdienst zog nachträglich Drainagegräben. Allerdings war eine Leistung des Reichsarbeitsdienstes von vornherein in den Kosten für eine Siedlerstelle enthalten.

Die Wasserversorgung erfolgte aus — nach heutigem Maßstab — Flachbrunnen, die in trockenen Sommern auch trocken fielen. Der Bau einer Wasserleitung erfolgte erst 1955. Eine Gasleitung wurde schon 1953 gelegt.

Der Weg nach Ahrensburg war zunächst ein Feldweg; jedenfalls so schlecht ausgebaut, dass er zeitweilig unpassierbar war. Eine Busverbindung gab es ab 1955, zuerst allerdings nach Volksdorf. Nach Beschwerden der VHH, dass die später von ihnen eingesetzten Busse zu häufig defekt würden, erfolgte 1957 der Ausbau der Hagener Allee.

Das Verhältnis zu Ahrensburg war längere Zeit vermutlich gar keines. Die Siedlung wurde von Hamburgern für Hamburger mit hamburgischem Geld 'hinter dem Wald' gebaut. Bau- und anderes Material kam nicht aus oder durch Ahrensburg. Eine Integration mit Ahrensburg wurde nicht aktiv verfolgt. In der ersten Phase der Siedlungsentwicklung waren die Siedler mit sich selbst beschäftigt. Während des Krieges gab es dann andere Probleme. Nach dem Krieg wurde zwar der Wiederaufbau betrieben, allerdings waren auch in Ahrensburg die Kassen leer. Erst nach Ansiedlung verschiedener Industriebetriebe kam 'Geld ins Haus' und der Ausbau der Infrastruktur wurde möglich. Die Bewohner der Siedlung hatten zunächst auch eher Arbeit in Hamburg und nicht in Ahrensburg gesucht. Es war hier das Verdienst des Vertreters der Siedlung in der Stadtverordnetenversammlung von 1946-1973 Jonny Loesch, sowohl das Sprachrohr für die Bedürfnisse der Menschen in der Siedlung wie auch der Motor zur Durchsetzung von nötigen Maßnahmen zu sein.

Fazit

Man muss den Bau dieser und anderer Siedlungen aus der damaligen Zeit heraus verstehen. Für die Siedler war der Aufbau und der Erwerb eines eigenen Hauses auf eigenem Grund und Boden eine Riesenchance. In Hinsicht vielleicht die Erfüllung eines Traumes, jedenfalls die Möglichkeit, aus der Arbeitslosigkeit und aus den beengten Verhältnissen der Stadt herauszukommen.

Dass der Bau und die erste Entwicklungszeit mit den beschriebenen Härten verbunden waren, war gewollt — man sollte hier deshalb nichts 'überhöhen'. Es hat eine Generation gebraucht, um aus den schwierigen Verhältnissen herauszukommen. Allerdings kam auch der Krieg 'dazwischen' und unterbrach die Entwicklung.

Was hätte man besser machen können? Aus meiner Sicht — natürlich ganz subjektiv — hätte man viel gewonnen, wenn von Anfang an die Gemeinde Ahrensburg besser einbezogen worden wäre. Und es hätte vieles erleichtert, wenn von Anfang an die Straßenverbindung nach Ahrensburg ausgebaut worden wäre. Das hätte den Austausch zwischen den Ortsteilen verbessert und auch den Bau der Siedlung beschleunigt.